RedeFluss – Fünf Fragen an: Gerd Hofmann, Regierungspräsidium Darmstadt

In der Serie „RedeFluss“ veröffentlicht ReWaMnet Kurzinterviews mit Beteiligten der BMBF-Fördermaßnahme ReWaM und fragt nach Motivation und Erwartungen. Zu Wort kommen beispielsweise Wissenschaftler, Praktiker und Unternehmer, die in ReWaM eng zusammenarbeiten.

Für die elfte Ausgabe der Interviewserie RedeFluss traf sich ReWaMnet mit Dipl.-Ing. Gerd Hofmann. Gerd Hofmann leitet beim Regierungspräsidium Darmstadt in der Abteilung Arbeitsschutz und Umwelt in Frankfurt das Dezernat „Abwasser, Gewässergüte“. Im Regierungspräsidium Darmstadt ist der studierte Bauingenieur für die Bewirtschaftung der Gewässer im Einzugsgebiet der Nidda verantwortlich. Als Vertreter aus der Praxis gehört es zu seinen Aufgaben, dass schädliche Abwassereinleitungen in die Gewässer vermieden oder nach dem Stand der Technik minimiert, beeinträchtigende Veränderungen der Gewässergüte beseitigt und Vorsorgemaßnahmen zum Schutz z.B. der Nidda und ihrer Zuflüsse getroffen werden.

Gerd Hofmann Regierungspräsidium Darmstadt ReWaM NiddaMan

Gerd Hofmann engagiert sich in dem ReWaM-Projekt NiddaMan

Das Regierungspräsidium Darmstadt (RPDa) engagiert sich als assoziierter Partner in dem ReWaM-Projekt NiddaMan. Was motiviert das RPDa sich hier einzubringen?

Meine Behörde ist für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zuständig und daher stets an Projekten interessiert, die uns bei der Bewältigung dieser zum Teil schwierigen Aufgabe voranbringen. Nach Einschätzung des Umweltbundesamtes waren trotz vielfältiger Maßnahmen an den Gewässern im Jahr 2015 nur 10 Prozent der oberirdischen Gewässer in einem guten Zustand. Bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zeichnet sich ab, dass in vielen Fällen wohl die Verbesserung der Gewässerstruktur nicht ausreicht, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Wir als zuständige Wasserbehörde stellen fest, dass die Zusammenhänge an den Gewässern komplexer sind als angenommen und dass hier noch eine erhebliche Wissenslücke zu Wechselwirkungen verschiedener Einflüsse wie z.B. Gewässerstruktur, diffuse und punktuelle Einträgen von Schadstoffen, Kolmation und Veränderungen der Abflussverhältnisse vorhanden ist. Hier bietet das Projekt NiddaMan mit dem praxisorientierten Ansatz eine Chance, die wasserbehördliche Perspektive in einen Forschungsprozess einzubringen. Zudem stellt das sich entwickelnde Netzwerk von Fachexperten und Stakeholdern eine gute Möglichkeit für meine Behörde dar, auch über die Projektzeit hinaus eine förderliche Zusammenarbeit aller Beteiligten auf dem Weg zu einem guten Gewässerzustand an der Nidda zu erreichen.

 

 

Idealerweise profitieren von der Kooperation in einem Forschungsprojekt Wissenschaft und wasserwirtschaftliche Praxis gleichermaßen. Worauf ist aus Sicht der Anwender für eine gelungene Zusammenarbeit bei Projektbeginn zu achten?

Aufgrund der Erfahrungen beim Projekt NiddaMan ist meines Erachtens darauf zu achten, frühzeitig Forscher und Praktiker an einen Tisch zu bringen. Dafür erscheint mir die Durchführung eines Praxisbeispiels als sehr geeignet, um bereits im Forschungsprojekt die Anwendung der Ergebnisse gemeinsam auszutesten. Sofern dies bereits am Anfang des Projektes eingeplant wird, ergibt sich eine „Einbettung“ der Forschung in das Praxisumfeld fast automatisch. Damit können zu einem frühen Zeitpunkt die wichtigen Fragen, wie: Worin liegt die Wissenslücke in der Praxis? Welche Bedeutung hat die Wissenslücke im praktischen Vollzug? In welchem praktischen Kontext steht die Wissenslücke? angesprochen werden und bei der Umsetzung des Forschungsprojekts berücksichtigt werden. Das gemeinsame Arbeiten an einem Praxisbeispiel ermöglicht es, eine gemeinsame Sprache zu finden und die jeweils andere Perspektive kennenzulernen. Dieser Lernprozess trägt wesentlich dazu bei, dass am Projektende die Forschungsergebnisse Eingang in die Praxis finden.

Am 4. Mai diesen Jahres hielten Sie in Berlin im Rahmen des ReWaM-Praxistransfer-Workshops einen Vortrag, in dem Sie Ihre Erfahrungen aus dem Projekt NiddaMan schilderten. Dabei betonten Sie, wie wichtig es sei, vorab den Ansprechpartner bei einem potenziellen Praxispartner zu finden, der für die Umsetzung den Rückhalt in der jeweiligen Institution genießt? Haben Sie für die Wissenschaft einen Tipp, wie das gelingt?

Wie ich in meinem Vortrag bereits ausgeführt habe, ist für eine erfolgreiche Kooperation mit einem Praxispartner meiner Meinung nach zunächst wichtig, dass die ausgewählten Akteure aus der Praxis auch die erforderlichen Ressourcen für die Mitarbeit haben. Dies setzt voraus, dass der erforderliche Rückhalt in der jeweiligen Institution vorhanden ist und ein Engagement in dem Projekt überhaupt gewünscht wird. Darüber hinaus muss der ausgewählte Akteur für die spätere erfolgreiche Verbreitung der Forschungsergebnisse in der Institution die entsprechende Kompetenz und Unterstützung haben. Daher es ist wichtig, innerhalb der jeweiligen Institutionen die Entscheidungs- und Hierarchieebenen bei der Auswahl des Ansprechpartners zu beachten. Ich möchte dies beispielhaft anhand des Projektes NiddaMan und den Praxispartnern aus der Wasserwirtschaftsverwaltung kurz verdeutlichen: Es war sicherlich wichtig, den Rückhalt des zuständigen Umweltministeriums zu gewinnen, um die personellen Ressourcen bei meiner Behörde sicherzustellen. Die eigentlichen Ansprechpartner rekrutieren sich aus den Wasserbehörden, die mit der Umsetzung der wasserwirtschaftlichen Fragenstellungen vor Ort betraut sind und die konkrete Problemstellung im Einzelfall am besten kennen. Die im Vorfeld gesicherte Unterstützung des Ministeriums wird wesentlich dazu beitragen, dass die Erkenntnisse aus der Forschung Eingang in die Praxis finden können.

Der Forschungsfortschritt in NiddaMan lässt eine breite Bandbreite an Erkenntnisse und Produkten erwarten. Welche Anforderungen stellt das Regierungspräsidium an die Praxistauglichkeit der Ergebnisse und wie sieht ein möglicher Praxistest aus?

Eine wesentliche Anforderung, die ich an die Praxistauglichkeit der Erkenntnisse aus dem Projekt NiddaMan stelle, ist, dass diese an die bestehenden Vollzugsaufgaben und Probleme „andocken“. D.h. für mich, dass die Ergebnisse soweit handhabbar sein müssen, dass sie auf andere Gewässer übertragbar und auch für Nicht-Wissenschaftler leicht anwendbar sind. Dabei gilt es bestehende behördliche Strukturen und Abläufe zu berücksichtigen, damit die Erkenntnisse und Produkte sinnvoll in die Praxis Eingang finden. Ich glaube im Projekt NiddaMan sind wir auf einen guten Weg zur Praxistauglichkeit. Wir haben für einen Praxistest einen Nebenfluss der Nidda ausgewählt und alle Forschungsergebnisse zusammengetragen. Im Rahmen eines Expertenworkshops wurden die Ergebnisse intensiv mit den zuständigen Wasserbehörden erörtert. Aus dem Gespräch wurden jetzt zusätzliche Fragenstellungen aus der Praxis zusammengetragen, die zurzeit von den verschiedenen am Projekt beteiligten Institutionen bearbeitet werden. In einem nächsten Schritt sollen nun die so erzielten Erkenntnisse mit anderen Akteuren der Praxis – hier den Kommunen – besprochen werden. Wir hoffen mit den neuen Erkenntnissen und den sich daraus ergebenden Handlungsoptionen in der Praxis einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem guten Gewässerzustand weiterzukommen.

Am Ende eines erfolgreichen Forschungsprojekts erfolgt in der Regel die Implementierung der Forschungsergebnisse in die Praxis. Wie kann die Wissenschaft die Praxis in dieser Projektphase konkret unterstützen?

Für eine erfolgreiche Implementierung von Forschungsergebnissen muss meines Erachtens für die neuen Erkenntnisse „geworben“ werden. Hierzu erhoffe ich mir für das Projekt NiddaMan, dass über Vortragsveranstaltungen oder Workshops für Praxisvertreter die Forschungsergebnisse und deren praktische Bedeutung verbreitet und die praktische Anwendung in einem größeren Kreis erörtert werden können. Als ein gutes Instrument für eine gelungene Implementierung erscheint mir die Aufstellung eines in Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis erarbeiteten Leitfadens für die praktische Anwendung der Forschungsergebnisse sehr sinnvoll. Da die Phase der Implementierung von Forschungsergebnissen in die Praxis über die Laufzeit eines Forschungsprojekts hinausläuft, wäre eine Unterstützung der Wissenschaft auch nach der Projektlaufzeit sehr wünschenswert.

Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte ReWaMnet.

 

Die BMBF-Fördermaßnahme „Regionales Wasserressourcen-Management für den nachhaltigen Gewässerschutz in Deutschland“ (ReWaM) ist Teil des BMBF-Förderschwerpunktes „Nachhaltiges Wassermanagement“ (NaWaM) im Rahmenprogramm „Forschung für Nachhaltige Entwicklung“ (FONA3).