RedeFluss – Fünf Fragen an: Dipl.-Ing. Sonja Kramer, Stadt Münster

In der Serie „RedeFluss“ veröffentlicht ReWaMnet Kurzinterviews mit Beteiligten der BMBF-Fördermaßnahme ReWaM und fragt nach Motivation und Erwartungen. Zu Wort kommen Wissenschaftler, Praktiker und Unternehmer, die in ReWaM eng zusammenarbeiten.

Für die 14. Ausgabe der Interviewreihe RedeFluss reiste ReWaMnet nach Westfalen und traf sich mit Dipl.-Ing. Sonja Kramer vom Tiefbauamt der Stadt Münster. Die studierte Bauingenieurin koordinierte zunächst die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in Münster, bevor sie sich der Planung von Stadtentwässerungsanlagen widmete. Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist dabei der Umgang mit Regenwasser in der Stadt, von dessen Bewirtschaftung hin bis zur Bewältigung von Starkregenereignissen. In der BMBF-Fördermaßnahme ReWaM engagiert sich Frau Kramer für die Stadt Münster als Praxispartner in dem Projekt WaSiG. Mit ReWaMnet  sprach sie über Ihre Einschätzung zu einer im Oktober 2017 veröffentlichten Akzeptanzanalyse, in der WaSiG-Wissenschaftler von der Universität Freiburg die Gewohnheiten und den Wissensstand der Bevölkerung in den Städten Freiburg, Hannover und Münster zum Umgang mit Regenwasser untersuchte.

Sonja Kramer ReWaM WaSiG Sonja Kramer ReWaM WaSiG Stadt MünsterIn Ihrer Stadt wurden im Rahmen des Forschungsprojekts WaSiG an die Bewohner ausgewählter Quartiere insgesamt 4.380 Fragebögen zu Wahrnehmung und Akzeptanz von  Regenwasserbewirtschaftungsmaßnahmen (RWB) verteilt. Welche Erwartungen hatten Sie vorab an die Umfrage? Welche Ergebnisse waren besonders überraschend für Sie?

Ich war gespannt, inwieweit sich dieses Thema mittels einer allgemeinen Bürgerumfrage abbilden lässt. Bislang haben wir die Erfahrung gemacht, dass viele Bürgerinnen und Bürger wenig Bezug zum Thema „Regenwasser“ haben, zumindest so lange dieses nicht in deutlich zu kleinen oder deutlich zu großen Mengen auftritt. Außerhalb von sehr heißen, trockenen Zeiten oder auch von starken Niederschlagsereignissen „verschwindet“ das Wasser oft nicht nur von der Oberfläche sondern auch aus den Köpfen der Bürgerschaft. Vor diesem Hintergrund war ich gespannt darauf, wie viele an einer Umfrage zu diesem Thema teilnehmen oder ob RWB-Anlagen überhaupt als solche wahrgenommen werden. Auch die Unterscheidung zwischen den einzelnen befragten Gebieten (städtebaulich/sozioökonomisch) und unter den Kommunen untereinander fand ich sehr interessant.

In der von Ihnen und Ihren WaSiG-Kollegen durchgeführten Umfrage bewerteten nur wenige Münsteraner Regenwasseranlagen im eigenen Stadtquartier als positiv. Knapp ein Viertel gab sogar an  bereits negative Erfahrungen mit Regenwasseranlagen gemacht zu haben. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für die ablehnende Haltung vieler Bürger und was müsste getan werden, um das Image innovativer Bewirtschaftungsmaßnahmen wie durchlässiger Bodenbeläge und Gründächern zu verbessern?

Das Starkregenereignis im Jahre 2014 hat in großen Teilen des Stadtgebiets erhebliche Schäden verursacht und dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu der ablehnenden Haltung gegenüber Entwässerungsanlagen im Allgemeinen beigetragen. Die Angst vor Schäden durch Extremniederschläge ist nach wie vor allgegenwärtig. Daher ist es unerlässlich, die Bürgerschaft intensiv zu informieren und über Möglichkeiten zum Umgang mit Regenwasser aufzuklären.
Um das Image innovativer Bewirtschaftungsmaßnahmen zu verbessern sollten Bürger und Politik  intensiv informiert werden. Der Wunsch nach Information und Beteiligung wurde in der letzten Zeit vor allem auf Bürgerinformationsveranstaltungen zum Starkregenereignis oder auch zu neuen Baugebieten deutlich. Das Thema „Umgang mit Regenwasser/Starkregen“ rückt immer mehr in den Fokus. Hinweise auf die Mitarbeit an einem Forschungsprojekt zu diesem Thema und zur geplanten Umsetzung von RWBM in neuen Baugebieten werden grundsätzlich positiv aufgenommen und z.T. sogar selbst von Bürgern vorgeschlagen.
Ein anderer wichtiger Aspekt ist sicherlich auch die optische Gestaltung der Maßnahmen. Diese sollten sich positiv in das gesamtlandschaftliche Bild einfügen und nicht nur als technisch erforderliche Begleiterscheinung auftreten. Die Erarbeitung multifunktionaler Nutzungsmöglichkeit ist dabei ein weiterer wichtiger Punkt, der deutlich zur Verbesserung der Akzeptanz dieser Anlagen beitragen kann.

Gründächer spielen eine wichtige Rolle für eine wassersensitive Stadtplanung. In der durchgeführten Akzeptanzanalyse bewerteten 78 Prozent der befragten Einwohner Ihrer Stadt Gründächer positiv. Gleichzeitig sorgen sich die Münsteraner um den Erhalt des Stadtbilds mit ortsspezifisch geneigten Dachformen. Hochwasserschutz vs. Ästhetik: Wie wollen Sie die konträren Ansprüche in Einklang miteinander bringen?

Gründächer können insbesondere in den Bereichen eingesetzt werden, wo große Flächen dafür zur Verfügung stehen und der Kontrast zum umliegenden gesamtstädtischen Bild nicht allzu ausgeprägt ist. Beispielsweise können große Gewerbegebiete und dort ansässige Betriebe gut mit Gründächern ausgestattet werden. Auch größere öffentliche Gebäude sollten hier in Betracht gezogen werden. In diesen Bereichen stehen die Gegensätze des Stadtbilderhalts mit Giebeldächern und der Flachdächer in der Regel nicht so im Fokus, wie es beispielsweise in innerstädtischen Bereichen der Fall ist. Um das Stadtbild in innenstadtnahen oder ähnlich sensiblen Gebieten zu erhalten, sollte man auch versuchen alternative Formen der Regenwasserbewirtschaftung anzubieten. Hier könnten beispielsweise für eine möglichst geringe Versiegelung durchlässige Flächenbeläge zum Einsatz kommen. Grundsätzlich sollten RWBM nicht nur hinsichtlich ihrer Funktionalität, sondern auch im Hinblick auf ihre Optik und auf den städtebaulichen Gesamteindruck gestaltet werden.
Regelungen zum Einsatz von RWBM sollten bereits im Bebauungsplan festgesetzt werden, um die Umsetzung im vorgesehenen Rahmen gewährleisten zu können. Für Grundstücke, die anschließend an Privateigentümer veräußert werden, sollten diese Regelungen möglichst grundbuchlich gesichert werden. Natürlich sind auch finanzielle Anreize (Abwassergebühr) ein gutes Argument für die Umsetzung von RWBM.

 Welche Erkenntnisse aus der Akzeptanzanalyse können Sie konkret für Ihre Arbeit in Münster verwerten? Wie sieht die geplante Implementierung der WaSiG-Ergebnisse aus?

Die Akzeptanz der Bürger für unsere Anlagen ist natürlich sehr wichtig. Da die RWB-Anlagen im Gegensatz zu einem Kanal auch immer einen Teil des Stadtbilds ausmachen, steht neben der Funktionalität natürlich auch das Optische im Fokus. Von daher ist es schon sehr interessant und wichtig zu wissen, wie die Münsteraner unsere Anlagen bisher wahrgenommen haben und welche Anforderungen, Wünsche und auch Ängste sie bezüglich dieser haben, damit wir diese Punkte bei zukünftigen Planungen entsprechend berücksichtigen können.
Grundsätzlich streben wir eine sehr frühe Implementierung des gesamten Themas „Wasser“ im Planungsprozess an, um ein möglichst optimales Gesamtergebnis für z.B. einen städtebaulichen Entwurf zu erhalten. Klar definierte Zielgrößen sind dafür ebenso entscheidend wie eine gut strukturierte Handlungsanleitung für die Beteiligten, in der auch Hilfestellungen für die Regelung von Zuständigkeiten, Betrieb und Unterhaltung gegeben werden. Für sehr hilfreich erachten wir zudem einen Leitfaden / eine Handreichung, die die Ergebnisse der Akzeptanzanalyse mit anderen „Stolpersteinen“ und Argumentationen für eine RWB kombiniert, so dass das Thema „Wasser“ nicht nur als zu entsorgendes, sondern als positives und vielseitiges Element wahrgenommen wird.

Neben Ihrer Tätigkeit bei der Stadt Münster sind Sie als geschäftsführendes Vorstandsmitglied in dem Netzwerk „Fließgewässer im urbanen Raum“ aktiv. In Ihrer Funktion engagieren Sie sich dafür, vorhandenes Wissen und Erfahrungen aus der Revitalisierung von Fließgewässern zu bündeln und zur Verfügung zu stellen. Was sind aus Ihrer Sicht bewährte Instrumente, um Praktiker vor Ort mit den maßgeblichen Fachinstitutionen aus der Wasserwirtschaft zu vernetzen?

Wie in so vielen Bereichen sind auch hier intensiver Austausch und gute Information sowie direkte konstruktive Gespräche unerlässlich. Es gilt alle Beteiligten frühzeitig an einen Tisch zu holen, um alle Anforderungen, Wünsche, Ideen und Restriktionen bereits zu Beginn des Prozesses in der Planung zu berücksichtigen. Ebenso wichtig ist es, in diesem Zuge frühzeitig Aufgaben und Zuständigkeiten zu klären und festzulegen, um klare Strukturen im Gesamtprozess, vom Entwurf über die Umsetzung bis hin zum Betrieb zu schaffen. Hilfreich sind dabei auch  immer wieder bereits umgesetzte Projekte, die sowohl gut gelungene Beispiele zeigen, als auch Punkte aufzeigen, an denen es vielleicht einmal Probleme gegeben hat, die nun besser gelöst werden können.

Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte ReWaMnet.

 

WaSiG ist eines von 15 Verbundprojekten in der BMBF-Fördermaßnahme „Regionales Wasserressourcen-Management für den nachhaltigen Gewässerschutz in Deutschland“ (ReWaM). ReWaM ist Teil des BMBF-Förderschwerpunktes „Nachhaltiges Wassermanagement“ (NaWaM) im Rahmenprogramm „Forschung für Nachhaltige Entwicklung“ (FONA3).