In der Serie „RedeFluss“ veröffentlicht ReWaMnet Kurzinterviews mit Beteiligten der BMBF-Fördermaßnahme ReWaM und fragt nach Motivation und Erwartungen. Zu Wort kommen Wissenschaftler, Praktiker und Unternehmer, die in ReWaM eng zusammenarbeiten.
In der vierten Ausgabe von RedeFluss gehen die Fragen an Karin Kuhn vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG). Die studierte Hydrologin ist als Leiterin des Referates 44 des LfULG unter anderem für die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in Sachsen zuständig und leitet das Forschungsprojekt KliWES, das die Auswirkungen der prognostizierten Klimaänderungen auf den Wasser- und Stoffhaushalt in den Einzugsgebieten der sächsischen Gewässer untersucht. In ReWaM engagiert sich Frau Kuhn in den Verbundprojekten BOOT-Monitoring, CYAQUATA und In_StröHmunG.
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Hürden für den erfolgreichen Transfer von Lösungen und neuem Wissen aus der Forschung in die wasserwirtschaftliche Praxis? Welche Anforderungen stellen Kommunen, Landesämter und die Wasserwirtschaft an die Wissenschaft?
Leider ist es oft so, dass Forschung nur schwer eine Verbindung mit der Praxis findet. Die große Herausforderung besteht meiner Meinung nach darin, Forschungswissen so aufzubereiten, dass es vor Ort in den Köpfen ankommt und Vollzugserleichterung bringt, anstatt neue Arbeit zu generieren. Aus der Perspektive der wasserwirtschaftlichen Praxis ist es wichtig, rechtzeitig, idealerweise vor Antragstellung, mit den regionalen Akteuren ins Gespräch zu kommen und gemeinsame Themen zu adressieren. Das trifft sowohl für Grundlagenforschung als auch für praxisorientierte Forschung zu.
Können Sie aus Ihrer Erfahrung von konkreten Beispielen für einen gelungenen Ergebnistransfer in die Praxis berichten und welche Faktoren waren ausschlaggebend für den Erfolg?
Die derzeit im ReWaM-Projekt laufenden Arbeiten sind noch zu „jung“ um jetzt schon wirkliche Erfolge in die Praxis zu bringen. In anderen Projekten, beispielsweise im Rahmen des Programms zur Förderung grenzübergreifender Zusammenarbeit zwischen dem Freistaat Sachsen und der Tschechischen Republik Ziel 3, resultierten aus den Arbeiten in dem Projekt GRACE gemeinsam abgestimmte Datengrundlagen, die bereits jetzt Grundlage für verschiedene wasserrechtliche Verfahren im Zusammenhang mit dem Trinkwasserschutz oder der Wasserkraftanlagennutzung waren. Ein weiteres Beispiel ist das Projekt NEYMO in dem der Freistaat Sachsen mit Polen zusammenarbeitet. Ein wichtiger Faktor für den Erfolg war, dass zu den entsprechenden Workshops auch die Behörden und Institutionen eingeladen waren. Im intensiven Austausch konnten wir genau auf die Probleme hinweisen, die für den Vollzug wichtig waren. Ein weiteres Beispiel ist das BMBF-finanzierte Projekt „Wasserversorgung und Sulfatbelastung unter land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen“ bei dem nicht nur die untersuchten, sondern auch andere betroffene Wasserversorgungsunternehmen von den Erkenntnissen profitiert haben. Die Studie wurde auch genutzt, um in den bergbaubelasteten Gebieten den bergbaubürtigen Eintrag von den Einträgen aus der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung und damit die Sanierungsverantwortlichkeiten zu trennen.
Insellösung oder Leuchtturmprojekt – Wie wichtig ist die regionale Übertragbarkeit von Ergebnissen und welche ReWaM-Projekte haben Ihrer Meinung nach das Potenzial langfristig Akzente zu setzen – auch in Hinblick auf grenzüberschreitende Kooperationen?
Ich bin beispielsweise bereits in meiner Funktion als Leiterin der einschlägigen Arbeitsgruppen der deutsch-polnischen und deutsch-tschechischen Grenzgewässerkommission tätig geworden und habe das Projekt BOOT-Monitoring beworben. Auf beiden Seiten bin ich auf großes Interesse gestoßen. Wenn im Projekt konkrete Ergebnisse vorliegen, soll es im Rahmen unserer Beratungen vorgestellt werden und ggf. dort vorliegende Erfahrungen (z. B. mit ADCP-Messungen) mit ins Projekt einfließen. Durch den Kauf einer Drohne im Landesamt im Bereich Landwirtschaft sind wir bereits jetzt dabei Synergien im Bereich der Gewässer zu testen, ebenfalls werden durch dieses Projekt Synergien zu CYAQUATA und In_StröHmunG hergestellt. In Sachsen soll das „BOOT“ nach Projektablauf darüber hinaus im Bereich anderer Gewässer zum Einsatz kommen. Für CYAQUATA wird die Übertragung von Ergebnissen und methodischen Ansätzen für weitere Talsperren, Speicher und Badegewässer geprüft.
Auch bei In_StröHmunG werden Methoden und „Nachahmbeispiele“ aufgezeigt, die in Sachsen und auch in anderen Bundesländern sowie Nachbarländern eingesetzt werden können. Gleichzeitig werden durch das Projekt auch Grenzen aufgezeigt und wir hoffen, dass wir mit den Ergebnissen des Projektes auch Einfluss auf die Entwicklung von gesetzlichen Grundlagen nehmen können.
Im LfULG setzen Sie sich seit Jahren dafür ein, dass die sächsischen Oberflächengewässer den guten chemischen Zustand und das gute ökologische Potenzial, sowie das Grundwasser den guten mengenmäßigen und guten chemischen Zustand erreichen. Was sind aus Ihrer Sicht die relevantesten Herausforderungen für Grund- und Oberflächengewässer in den kommenden Jahren?
Wichtigste Herausforderung ist die Umsetzung des 2. Bewirtschaftungsplanes in Sachsen, der ab dem 22.12.2015 für bindend erklärt wurde. In Sachsen wird man sich maßgeblich mit den von den Flussgebietsgemeinschaften Elbe und Oder deklarierten „Wichtigen Wasserbewirtschaftungsfragen“ befassen, also mit den Themen Gewässerstruktur/Durchgängigkeit, Nährstoffen, Bergbaufolgen (Anm. d. Red.: in Sachsen Alterzbergbau und Braunkohlenbergbau) und auch mit dem Einfluss des Klimawandels auf die Erreichung der Ziele der WRRL. In diesem Zusammenhang müssen unter anderem geeignete Maßnahmen oder Maßnahmenkombinationen gefunden werden, die geeignet sind, den guten Zustand herzustellen. Damit sind auch Prognoseinstrumente zu entwickeln und einzusetzen. Letztere spielen unter anderem bei der Einhaltung des „Verschlechterungsverbotes“ eine wesentliche Rolle. Denn seit dem 24. Juni diesen Jahres hat nun auch die neue Oberflächengewässerverordnung mit neuen Herausforderungen, was Stoffe, methodische Fragen und Grenzwerte anbetrifft, Gültigkeit erlangt. Bei allen Fragen muss stets berücksichtigt werden, dass im Grenzbereich der WRRL auch weitere Richtlinien der EU eingehalten werden müssen, wie die Hochwasserrisikomanagementrichtlinie (HWRM-RL), die Fauna-Flora-Habitat- (FFH), sowie die Trinkwasserrichtlinie.
Was motiviert das LfULG, sich als Praxispartner in drei ReWaM-Projekten, noch dazu mit vollkommen unterschiedlichen Fragestellungen, zu engagieren?
Der Aufgabenbereich meines Referates ist sehr vielfältig. Mit knapper werdenden Ressourcen im öffentlichen Dienst ist es oftmals nur schwer möglich, die neuen Erkenntnisse aus Wissenschaft und Technik durch eigenes immer älter werdendes Personal zu recherchieren und zu betreuen. Seit vielen Jahren ist es daher mein Anliegen, in meinem Referat mit jungen, gutausgebildeten ProjektmitarbeiterInnen das Know-how aus Wissenschaft und Technik für uns verfügbar zu machen und für den wasserrechtlichen Vollzug anwendbar zu gestalten. Dabei ist es wichtig, dass das Personal, das in unseren Projekten angestellt ist, die Möglichkeit erhält, direkt mit den Fachfragen in Berührung zu kommen, auch mit den Personen, die dann im Vollzug vor Ort entscheiden müssen, ob eine Maßnahme genehmigungsfähig ist oder nicht. In einigen Fällen ist es uns auch gelungen, auf diesem Wege gut geschulte Projektmitarbeiter in den „festen“ Stellenpool zu übernehmen.
Insbesondere ist es im Projekt In_StröHmunG wichtig, die Verknüpfung zwischen WRRL, HWRM-RL und FFH-RL anhand von Pilotgewässern darzustellen. Einerseits erhält man aus dem Projekt Informationen zu Vollzugsproblemen, beispielsweise der Flächenbereitstellung für Gewässerentwicklung, andererseits können nach dem Projekt Handlungsanleitungen erarbeitet werden. Der Beispielcharakter soll dabei auf die Kommunen ausstrahlen, die in Sachsen zuständig sind für die Gewässer 2. Ordnung.
Das Projekt CYAQUATA ist das Projekt, das sich noch ziemlich nahe an der Grundlagenforschung bewegt. Hier ist es für uns wichtig, frühzeitig an aktuellen Fragestellungen dranzubleiben. Dies erlaubt es uns, Einfluss auf die Faktoren zu nehmen, die in besonderem Maße auf das Wachstum der Bakterien einwirken und uns ggf. dem Sanierungsgedanken nähern können. Nicht nur für Trinkwassertalsperren, sondern auch für die Badegewässer ist das Thema daher von erheblicher Bedeutung.
Das Projekt BOOT-Monitoring unterstützt uns bei Aufgaben, für die wir als Landesamt per Gesetz verpflichtet sind – das Monitoring nach WRRL. Zusätzlich zu dem regelmäßigen Monitoring, bei dem jeder Wasserkörper mit einem breiten Analysenspektrum im Labor untersucht wird, ist es ein Ziel des Projekts, Stoffeinträge über Einleiter und die Interaktion zwischen Grund- und Oberflächenwasser zu quantifizieren, damit Maßnahmen gezielt angesetzt werden können und letztlich die Wirksamkeit der Maßnahme genauso gezielt überwacht werden kann. In kleinen Gewässern, die keine Gewässer nach WRRL sind, sondern nur Zuflüsse darstellen, können mit dem gezielten Einsatz von digitaler Messtechnik Schadstoffgruppen identifiziert werden. Auch hier ist es das Ziel, Stoffgruppen im Zufluss zu erkennen und es damit zu ermöglichen, das „Labormonitoring“ gezielter als bisher einzusetzen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte ReWaMnet
BOOT-Monitoring, CYAQUATA und In_StröHmunG sind drei von 15 Verbundprojekten in der BMBF-Fördermaßnahme „Regionales Wasserressourcen-Management für den nachhaltigen Gewässerschutz in Deutschland“ (ReWaM). ReWaM ist Teil des BMBF-Förderschwerpunktes „Nachhaltiges Wassermanagement“ (NaWaM) im Rahmenprogramm „Forschung für Nachhaltige Entwicklung“ (FONA3).