In der Serie „RedeFluss“ veröffentlicht ReWaMnet Kurzinterviews mit Beteiligten der BMBF-Fördermaßnahme ReWaM und fragt nach Motivation und Erwartungen. Zu Wort kommen beispielsweise Wissenschaftler, Praktiker und Unternehmer, die in ReWaM eng zusammenarbeiten.
Für die neunte Ausgabe von RedeFluss traf sich ReWaMnet auf der ReWaM-Statuskonferenz mit Dr. André Weidenhaupt, Ministerium für nachhaltige Entwicklung und Infrastruktur, Luxemburg. Der studierte Chemiker wurde in Luxemburg geboren und lehrte nach seiner Promotion Umwelttechnik an der Universität Luxemburg. Während der luxemburgischen EU-Ratspräsidentschaft 2005 führte Weidenhaupt in Brüssel die Verhandlungen Europäischen Chemikalienverordnung REACH und übernahm zu diesem Thema den Vorsitz einer Ad hoc Arbeitsgruppe beim Rat der Europäischen Union. Von 2005 bis 2014 leitete Weidenhaupt die Luxemburgische Wasserbehörde und war in dieser Zeit unter anderem als Vorsitzender der Internationalen Kommissionen für den Schutz der Mosel und Saar (IKSMS) sowie als Vorsitzender der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) tätig. Seit 2014 ist Weidenhaupt Generaldirektor im Umweltdepartement des Ministeriums für nachhaltige Entwicklung und Infrastruktur in Luxemburg.
Auf der ReWaM-Statuskonferenz in Dresden hielten Sie die Gastrede und stimmten die Teilnehmer thematisch auf die Veranstaltung ein. Welche Aspekte an ReWaM interessieren Sie und wie wird die BMBF-Fördermaßnahme in Ihrem Haus und auf europäischer Bühne wahrgenommen?
Derzeit befinden wir uns mitten im zweiten Bewirtschaftungszyklus der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie. In vielen Kommunen und bei den zugehörigen Behörden sind die Arbeiten an der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmenprogramme bereits im vollen Gange. Bei der Realisierung stoßen die Praktiker jedoch auf vielfältige Herausforderungen: zur Verbesserung der Gewässerstruktur fehlen überregionale Ansätze, vielerorts liegt notwendiges Prozesswissen nicht vor und es mangelt an Methoden, um alle relevanten Akteure an der Planung und Realisierung von Maßnahmen zu beteiligen. Die 15 Projekte in ReWaM bearbeiten ein breites Themenspektrum und adressieren die wesentlichen Punkte bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, mit denen sich die Praxis derzeit beschäftigt. Die Fördermaßnahme des BMBF bzw. ihre Erkenntnisse kommen damit genau zum richtigen Zeitpunkt.
In meinem Haus habe ich meine „Wasserleute“ bereits auf ReWaM aufmerksam gemacht. Darüber hinaus stehen einige Kollegen bereits in Kontakt mit einzelnen Projekten. Auf der europäischen Bühne wird ReWaM meiner Meinung nach bislang noch nicht genügend wahrgenommen. Dabei wären die Ergebnisse neben Luxemburg sicherlich auch für andere Nachbarländer Deutschlands von großem Interesse.
Die regionale Übertragbarkeit von Methoden, Erkenntnissen und Lösungen ist eines der Kennzeichen der Fördermaßnahme. Welches Potenzial besitzt ReWaM und welche Impulse können von der Fördermaßnahme für die wasserwirtschaftliche Praxis ausgehen?
Die Projekte in ReWaM adressieren wesentliche, bislang nicht vollständig geklärte Fragen bei der Umsetzung wasserbezogener Richtlinien. Neben der Wasserrahmenrichtlinie sind dies beispielsweise die EU-Trinkwasserrichtlinie, die kommunale Abwasserrichtlinie der EU, die novellierte EU-Badegewässerrichtlinie aus dem Jahr 2006 oder die EU-Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie von 2007. Jedes Gewässer ist einzigartig und im Kontext seiner individuellen Nutzung und Historie zu betrachten. Die lokale Umsetzung von Maßnahmen ist daher stets sehr spezifisch. Dennoch muss das sprichwörtliche Rad nicht in jedem Einzugsgebiet neu erfunden werden: Erfahrungen aus Regionen mit ähnlichen Problemen und ein breites Ensemble erprobter und validierter Methoden sind ein großer Gewinn für die wasserwirtschaftliche Praxis vor Ort. Wenn die Übertragbarkeit der Ergebnisse aus ReWaM gewährleistet ist, hat die Fördermaßnahme das Potenzial einen weitreichenden Beitrag zum Schutz der europäischen Gewässer zu leisten. Der Erfolg von ReWaM sowie aller anderen großen Förderinitiativen, lässt sich jedoch erst ca. zehn Jahren nach dem Ende der jeweiligen Laufzeit endgültig einordnen.
Bei der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) stehen mit der Überprüfung durch die EU-Kommission 2019 richtungsweisende Entscheidungen an. Welche Änderungen wünschen Sie sich, was würden Sie an der Richtlinie ändern, wenn die EU-Kommission Ihnen freie Hand ließe?
Spätestens bis zum Jahr 2019 hat die EU-Kommission die Möglichkeit eine Vorlage einzubringen, inwiefern sie gegebenenfalls die Richtlinie anpassen möchte. Bislang besitzt lediglich die Kommission Vorschlagsrecht. Mein Wunsch ist es daher, dass die Mitgliedsstatten sehr viel früher eingebunden werden würden in diesen Prozess. Außerdem sollte die Kommission, stärker als bisher, auch die Wissenschaft sowie den aktuellen Forschungsstand berücksichtigen. Wenn ich darüber hinaus etwas verändern könnte, würde ich mir eine leicht pragmatischere Vorgehensweise bei der Zustandsbewertung wünschen. Derzeit arbeiten wir mit einem vergleichsweise rigiden Verfahren: Für siedlungsgeprägte Einzugsgebiete ist es nahezu unmöglich einen guten Zustand im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen. Und das, obwohl gerade die zuständigen Behörden in besiedelten Regionen, besonders viel Geld für wasserwirtschaftliche Maßnahmen in die Hand nehmen.
Ein weiterer Wunsch von mir wäre eine bessere Koordination der Wasserrahmenrichtlinie mit anderen Politikbereichen. Ohne viel Aufwand ließen sich beispielsweise die Ziele der Nitrat- sowie Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie mit den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie harmonisieren. Denn derzeit bestehen zum Teil eklatante Fehlanreize, etwa im Bereich der Agrar- oder Energiepolitik, wodurch Anstrengungen im Wassersektor unterlaufen werden. Eine weitere Baustelle stellen meiner Meinung nach die gewählten Zyklen der Wasserrahmenrichtlinie dar. Diese sollten mit den Zyklen der EU-Finanzierungsinstrumente in Einklang gebracht werden. Die unterschiedlichen Stichtage der jeweiligen Zyklen haben dazu geführt, dass die Umsetzung des Maßnahmenprogramms gegenüber der Finanzierungsplanung der EU stets um knapp zwei Jahre hinterherhinkt.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hürden für den erfolgreichen Transfer von Lösungen und neuem Wissen aus der Forschung in die wasserwirtschaftliche Praxis? Welche Anforderungen stellen Kommunen, Landesämter und die Wasserwirtschaft an die Wissenschaft?
In meiner früheren Rolle als Leiter der Luxemburgischen Wasserbehörde habe ich die Erfahrung gemacht, dass die wichtigste Stellschraube für den Praxistransfer die zuständigen Mitarbeiter sind. Diese sind jedoch häufig chronisch überlastet und die an sie gestellten Anforderungen werden in absehbarer Zeit auch nicht geringer werden – ganz im Gegenteil. Dadurch fehlt Freiraum, um Impulse und neue Erkenntnisse aus der Forschung in den eigenen Aufgabenbereich zu implementieren. Die Konstruktion der Fördermaßnahme ReWaM ist daher besonders spannend für mich, da hier bereits bei der Antragstellung die Praxis miteinbezogen wurde. Also bereits zu Beginn der Projekte die konkreten Anforderungen aus der Praxis berücksichtigt sowie eine gemeinsame Sprache gefunden werden mussten. Alle Projekte haben dadurch eine gewisse Bodenhaftung, die sicherstellt, dass nahe an den Bedürfnissen der Anwender geforscht wird. Der erste Schritt ist damit schon einmal gemacht. Das alleine genügt jedoch nicht: Im nächsten Schritt müssen sich die Anwender untereinander vernetzen, damit die Erkenntnisse aus ReWaM auch in anderen Regionen mit ähnlichen Herausforderungen genutzt werden können. Eine Möglichkeit hierfür könnten von dem Vernetzungs- und Transfervorhaben ReWaMnet organisierte Workshops oder Weiterbildungen sein.
Der Schutz und Erhalt von Fließgewässern, Seen und dem Grundwasser sowie ihrer angrenzenden Lebensräume ist Bestandteil unterschiedlicher Themenfelder in den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Vereinten Nationen. Was sind Ihrer Meinung nach die drängendsten Herausforderungen für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Ressource Wasser aus internationaler Sicht?
Aus internationaler Sicht befinden sich die größten Herausforderungen im Wassersektor an den Schnittpunkten mit anderen Politikbereichen. Eine solche Verknüpfung liegt beispielsweise im Bereich der Klimapolitik vor: Der Klimawandel führt dazu, dass Extremwetterereignisse, etwa in Form von Dürren oder Starkregen, statistisch gesehen häufiger auftreten. Darauf muss sich die Wasserwirtschaft an den betroffenen Orten einrichten und Lösungswege entwickeln. Ein weiterer Überschneidungsbereich, der mir Sorgen bereitet, umfasst die Politikfelder Wasserwirtschaft und Ernährung. Die Landwirtschaft ist global betrachtet der größte Wassernutzer, zugleich aber auch einer der größten Verschmutzter. Das Hauptproblem ist meiner Meinung nach jedoch, dass Wasser keine internationale Agenda besitzt und deshalb stets nur als „Nebenbaustelle“ wahrgenommen wird. Derzeit existiert keine internationale Konvention im Bereich der Wasserwirtschaft, die von genügend Staaten ratifiziert wurde, um als verbindlich zu gelten. Immerhin beschäftigt sich bei den von den Vereinten Nationen formulierten SDGs ein Ziel explizit mit der Verfügbarkeit und nachhaltigen Bewirtschaftung von Wasser sowie der Sanitärversorgung. Das ist ein erster Erfolg und ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte ReWaMnet.
Die BMBF-Fördermaßnahme „Regionales Wasserressourcen-Management für den nachhaltigen Gewässerschutz in Deutschland“ (ReWaM) ist Teil des BMBF-Förderschwerpunktes „Nachhaltiges Wassermanagement“ (NaWaM) im Rahmenprogramm „Forschung für Nachhaltige Entwicklung“ (FONA3).