Deutschlandweit forschen Wissenschaftler an wirtschaftlichen Methoden, um in Kläranlagen Rückstände von Arzneimitteln, Haushaltschemikalien und Kosmetika aus dem Abwasser zu entfernen. So auch in Hessen: Der Abwasserverband Langen/Egelsbach/Erzhausen nahm in diesem Jahr eine Versuchsanlage in der Kläranlage Langen in Betrieb. Die Finanzierung der Anlage erfolgt maßgeblich durch das Land Hessen – ein Drittel der Fördersumme steuerte der Abwasserverband selbst bei. Die wissenschaftliche Leitung des Forschungsprojekts übernahm die Technischen Universität Darmstadt, die in den kommenden 18 Monaten die Vor- und Nachteile zweier Verfahren ermittelt: Getestet werden unter anderem Membran- sowie Tuchfilter, durch die behandeltes Abwasser geleitet wird. Im Anschluss an die beiden Filter wird das feststofffreie Abwasser über granulierte Aktivkohle gefördert. Das Abwasser hat vor dem Erreichen der Filter bereits die regulären drei Reinigungsstufen der Kläranlage durchlaufen. Ziel der vierten Reinigungsstufe ist die Entfernung von Spurenstoffen, Mikroplastik sowie antibiotikaresistenter Keime und Phosphor, die bislang im Abwasser der Kläranlage Langen noch in unerwünschten Konzentrationen vorhanden sind und die Umwelt im hessischen Ried belasten.
NiddaMan, eines von 15 Verbundprojekten in der BMBF-Fördermaßnahme ReWaM, leistet indirekt zusätzliche Unterstützung bei dem Vorhaben. In der Abteilung Aquatische Ökotoxikologie der Goethe-Universität Frankfurt, das die Leitung des Verbundprojekts NiddaMan innehat, führen Wissenschaftler ökotoxikologische Tests zur Wirksamkeit des Tuchfilters durch, die Bundesanstalt für Gewässerkunde steuert zusätzliche chemische Analysen von Spurenstoffen bei.
Neues Wissen durch Vernetzung
„Eine unserer Aufgaben in NiddaMan besteht darin, wasserbehördliche Maßnahmen auf Effizienz zu untersuchen“, erklärt Dr. Ulrike Schulte-Oehlmann, Projektkoordinatorin bei NiddaMan, die Motivation hinter der Zusammenarbeit der zwei Projekte. „Uns interessiert daher, ob Tuchfilter eine kostengünstige Alternative zur Membranfiltration darstellen könnten“, präzisiert die Projektkoordinatorin das wissenschaftliche Interesse von NiddaMan an der Pilotanlage in Langen. Würden Tuchfilter ähnlich gute Abscheideeigenschaften wie Membranfilter zeigen, wären diese für Schulte-Oehlmann eine überlegenswerte Option für weniger finanzstarke Betreiber kleiner Kläranlagen, für die bislang aus Kostengründen eine vierte Reinigungsstufe (im Sinne einer weitestgehenden Feststoffabscheidung) bei der Behandlung von Abwasser nicht in die Erwägung gezogen worden ist. Diese Erkenntnis würde nicht nur die bisherige bundesweite Einschätzung, dass nur bei großen Anlagen eine vierte Reinigungsstufe aus Gesichtspunkten der Kosteneffizienz realisierbar wäre überholen, sondern es würde ein wichtiger Beitrag für die flächendeckende Verbesserung der Gewässergüte geleistet werden. Derzeit bleibt für kleine Kläranlagen (GK 1 & 2) nur die Option einer Schließung und Verrohrung mit Ableitung der Abwässer in die nächstgrößere Kläranlage, die ggf. bereits über eine vierte Reinigungsstufe verfügt. Dies ist aufgrund hoher Baukosten jedoch nicht überall machbar.
Neben dem wissenschaftlichem Interesse gibt es aber auch noch einen weiteren naheliegenden Grund zur Kooperation der zwei Forschungsprojekte: Beide Verbünde arbeiten mit einer Reihe identischer Partner zusammen. Sowohl in NiddaMan als auch bei der Pilotanlage in Langen engagieren sich beispielsweise die Technischen Universität Darmstadt, das Unternehmen Unger Ingenieure, das Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie sowie das Regierungspräsidium Darmstadt. Für Schulte-Oehlmann ist diese Kooperation schon jetzt ein Erfolg: „Die Kooperation zeigt, dass die Vernetzung von Forschungsprojekte auf vielen Ebenen sehr sinnvoll ist und letztlich die wissenschaftlichen Erkenntnisse mehren. Davon profitieren alle, Wissenschaftler, die Wasserpraxis und natürlich auch Gesellschaft und Umwelt.“
NiddaMan ist eines von 15 Verbundprojekten in der BMBF-Fördermaßnahme „Regionales Wasserressourcen-Management für den nachhaltigen Gewässerschutz in Deutschland“ (ReWaM). ReWaM ist Teil des BMBF-Förderschwerpunktes „Nachhaltiges Wassermanagement“ (NaWaM) im Rahmenprogramm „Forschung für Nachhaltige Entwicklung“ (FONA3).