In der Serie „RedeFluss“ veröffentlicht ReWaMnet Kurzinterviews mit Beteiligten der BMBF-Fördermaßnahme ReWaM und fragt nach Motivation und Erwartungen. Zu Wort kommen Wissenschaftler, Praktiker und Unternehmer, die in ReWaM eng zusammenarbeiten.
In der achten Ausgabe der Interviewreihe RedeFluss sprach ReWaMnet mit Dipl.Geol. Martin Böddeker von der GELSENWASSER AG. Herr Böddeker ist seit 2002 im Unternehmen und für Themen aus den Bereichen Ressourcenmanagement, wasserrechtliche Verfahren und den Grundwasserschutz zuständig. Zuvor hat er einige Jahre in der Altlastenerkundung und -sanierung gearbeitet. Von 2013 bis 2016 war er parallel Mitglied der Geschäftsführung am Institut für Wasserforschung in Schwerte. Martin Böddeker studierte an den Universitäten in Erlangen und Bochum mit dem Schwerpunkt Angewandte Geologie. In ReWaM engagiert sich Böddeker in dem Verbundprojekt GroundCare, das vom Helmholtz Zentrum München geleitet wird.
Bei der GELSENWASSER AG beschäftigen Sie sich seit Jahren mit dem Grundwasservorkommen in den Halterner Sanden, das zur Trinkwassergewinnung für das nördliche Ruhrgebiet und das westliche Münsterland genutzt wird. Hier haben Sie mit Einflüssen aus der Landwirtschaft sowie einem Rüstungsaltlastenstandort zu tun. Was begeistert Sie an dem Wasser aus dem Untergrund, dass Sie sich beruflich damit beschäftigen?
Natürlich begeistern einen Hydrogeologen die Grundwasserströmung und die Hydrochemie des Grundwassers. Trotz des Erfahrungswissens und der heutigen technischen Möglichkeiten, die Strömung und die chemischen Reaktionen im Grundwasserkörper nachzuvollziehen, bleibt doch die Faszination über die „Lebensressource“ Grundwasser, das uns die Natur in einem sehr gut funktionierenden Prozess am Ende zur Verfügung stellt.
Was motiviert die GELSENWASSER AG, als eines der größten Trinkwasserversorgungsunternehmen in Deutschland, sich in ReWaM zu engagieren? Was versprechen Sie sich von der Beteiligung an der BMBF-Fördermaßnahme?
Regionales Wasserressourcen-Management und nachhaltiger Gewässerschutz betreffen jedes Wasserversorgungsunternehmen. Es liegt im eigenen Interesse, sich um den Schutz der genutzten Wasserressource zu kümmern. Je natürlicher die Wasserquelle, desto geringer ist der spätere Aufwand, um daraus Trinkwasser zu gewinnen. Dieses bewährte Vorsorgeprinzip gilt für Grund- und Oberflächenwasser. Dazu gehört für GELSENWASSER, sich mit neuen Themen und Entwicklungen in der wasserwirtschaftlichen Praxis und Forschung auseinander zu setzen. Dazu passt das Engagement bei den BMBF-Fördermaßnahmen wie RiSKWa oder ReWaM. Sei es nun in unterstützender Funktion oder wie beim ReWaM-Verbundprojekt GroundCare durch aktive Beteiligung als Projektpartner.
Ihr Unternehmen versorgt die Bürger in Westfalen zwischen Ruhr und Lippe mit Trinkwasser. GELSENWASSER hält jedoch auch Beteiligungen an Wasserver- und -entsorgungen in mehreren Bundesländern sowie in Polen und Tschechien. Welche Faktoren sind entscheidend, um Erkenntnisse aus GroundCare auch auf andere Regionen übertragen zu können?
Das Projekt GroundCare sucht nach innovativen Konzepten zur Bewertung des ökologischen Zustands unserer Grundwasserkörper sowie zur Quantifizierung des Reaktions- und Selbstreinigungspotenzials von Grundwasser-Ökosystemen. Wenn neue Erkenntnisse dazu beitragen, beispielsweise die Kontrolle oder Prognose der Wasserqualität im Grundwasserkörper einer Wassergewinnung zu optimieren oder zu ergänzen, gilt die Redensart „Das Bessere ist der Feind des Guten“. Dies bedeutet, dass neue Methoden in der Praxis überzeugen müssen, dazu gehört auch ein Kosten-Nutzen-Vergleich. Des Weiteren muss natürlich die Übertragbarkeit auf die Grundwasserverhältnisse (Hydrogeochemie, Biozönose) in anderen Regionen gegeben sein. Eine rasche Umsetzbarkeit wird davon abhängen, wie geeignet die technischen Voraussetzungen (Messstellennetz, Probenahmetechnik, Laborausstattung) vor Ort sind.
Sie nahmen am ersten Arbeitstreffen des ReWaM-Querschnittsthemas „Wissenstransfer und Praxistransfer“ in Hamburg teil und bringen sich darüber hinaus bei den Vorbereitungen zu einem geplanten Workshop zu diesem Thema ein. Wie könnte ein konkreter Beitrag von GELSENWASSER zum Transfer von Wissen in die Praxis aussehen?
Bei der Fülle an Fachartikeln und Forschungsergebnissen war und ist es schwierig, die richtigen Adressaten zu erreichen. Wir möchten dazu beitragen, dass dies besser und für die Forschungsinstitute leichter wird. Die Idee im ReWaM-Querschnittsthema „Wissens- und Praxistransfer“ ist es, einen stärkeren Austausch mit den Fachverbänden und -vereinen zu erreichen, die Merkblätter und technische Informationen herausgeben. Dadurch können gezielt Fachleute und Entscheidungsträger aus der Praxis angesprochen werden. Durch die ehrenamtliche Gremienarbeit in diesen Organisationen kann GELSENWASSER den Erstkontakt herstellen und während des Querschnittsthemas begleiten. Einen weiteren wichtigen Aspekt bildet weiterhin die Vernetzung zwischen den Forschungsinstituten, Fachverbänden und Unternehmen der Wasserwirtschaft.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für das Grundwasser in den kommenden Jahren und wo sehen Sie dringenden Handlungsbedarf?
Die Bewältigung der Nitratproblematik im Grundwasser (> 50 mg/l) ist in den Regionen mit viehintensiver Landwirtschaft nach wie vor ein drängendes Thema. Dabei sind die Ursachen und hydrochemischen Reaktionen im Grundwasser umfassend untersucht worden und bekannt. Es mangelt auch nicht an Lösungswegen, wie sie beispielsweise der Sachverständigen Rat für Umweltfragen der Bundesregierung aufzeigt hat. Es wird schwer sein, dem seit Jahrzehnten eingeschlagenen agrarpolitischen Weg eine neue, gewässerschonende Richtung zu geben. Nur durch zaghafte gesetzliche Verschärfungen wird sich die Nitratsituation in den „Hot Spot“-Regionen wohl kaum verändern lassen.
Um bei der Wasserqualität zu bleiben: Die Diskussion um Spurenstoffe und deren Bewertung wird durch die neuen technischen Möglichkeiten in der Wasseranalytik ein Dauerthema der nächsten Jahre sein. Dabei hat sich häufig nicht die Wasserqualität verschlechtert, sondern der Messbereich der Analytik wurde bis in den Nano- oder Picogrammbereich verbessert. Das Idealbild eines völlig naturbelassenen Grundwassers, das frei von jeglichen Spurenstoffen menschlichen Handelns ist, wird gerade gerückt. „Alles auf Null“ lässt sich nicht in Einklang bringen mit unserer Lebensweise und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Handeln. Die Herausforderung wird hier sein, für Mensch und Umwelt relevante Spurenstoffe zu erkennen, rasch zu bewerten und die Öffentlichkeit sachgerecht und verständlich zu informieren. Bedenkliche Spurenstoffeinträge müssen an der Eintragsquelle gestoppt werden. Für die Infrastruktur in der Wasserwirtschaft bleibt der sinkende Wasserbedarf aufgrund des demographischen Wandels und des wirtschaftlichen Strukturwandels in einigen Regionen weiterhin eine Herausforderung für die Versorgungssicherheit.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte ReWaMnet.
GroundCare ist eines von 15 Verbundprojekten in der BMBF-Fördermaßnahme „Regionales Wasserressourcen-Management für den nachhaltigen Gewässerschutz in Deutschland“ (ReWaM). ReWaM ist Teil des BMBF-Förderschwerpunktes „Nachhaltiges Wassermanagement“ (NaWaM) im Rahmenprogramm „Forschung für Nachhaltige Entwicklung“ (FONA3).