In der Serie „RedeFluss“ veröffentlicht ReWaMnet Kurzinterviews mit Beteiligten der BMBF-Fördermaßnahme ReWaM und fragt nach Motivation und Erwartungen. Zu Wort kommen Wissenschaftler, Praktiker und Unternehmer, die in ReWaM eng zusammenarbeiten.
In der zwölften Ausgabe der Interviewreihe RedeFluss sprach ReWaMnet mit Dr. Wilfried Scharf vom Wupperverband (WV). Beim Wupperverband ist Scharf zuständig für die Ausgestaltung und Durchführung des Gewässergütemonitorings mit dem Ziel, ein tiefer gehendes, prozeßbasiertes Verständnis gewässerökologischer Defizite abzuleiten. Dies beinhaltet unter Anderem die Erfolgskontrolle von Maßnahmen und Erarbeitung von Planungsgrundlagen für die weitergehende Gewässerentwicklung von Fließgewässern und Talsperren. Zuvor war der studierte Chemiker (FH Münster) und Umweltwissenschaftler (Uni Rostock) beim Wupperverband mit Aufbau und Leitung der Fachabteilung „Limnologie“ betraut. Scharf promovierte zum Thema Nahrungsnetzbewirtschaftung in Mittelgebirgstalsperren an der TU Dresden.
Der Wupperverband engagiert sich als Praxispartner in dem ReWaM-Projekt RESI. Darüber hinaus beteiligt sich der Verband derzeit an zehn weiteren Forschungsprojekten. Welchen Nutzen ziehen Sie aus solchen Projekten und was sind aus Ihrer Sicht Faktoren, die ausschlaggebend sind für einen gelungenen Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis?
Der WV ist aktuell in mehrere Forschungsprojekte involviert, welche sich von Fragen der Abwassertechnik über Fragen der Wassermengenwirtschaft bis hin zu Themen der Gewässergüteentwicklung in Fließgewässern und Talsperren erstrecken. Wer für ein Flusseinzugsgebiet die vielfältigen Anforderungen der ansässigen Bevölkerung mit Blick auf Hochwasserschutz und Freizeitangebote, die gesetzlichen Anforderungen an Abwassereinleitungen und die Umsetzung der WRRL verantwortungsvoll und aktiv mitgestalten will, muß sich neuen Themen und Entwicklungen im gesellschaftspolitischen Umfeld stellen.
Grundsätzlich beteiligt sich der WV nur an Projekten, welche einen unmittelbaren Bezug zur Gestaltung der Wasserwirtschaft im Einzugsgebiet der Wupper aufweisen. Die Prüfungen über die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Praxistransfer finden dabei bereits im Vorfeld Eingang in die Betrachtungen. So steigen wir aktuell mit dem UFZ in ein F&E-Projekt ein, welches zum Ziel hat, den Talsperrenbetrieb modellbasiert sowohl nach wassermengen- als auch wassergütewirtschaftlichen Gesichtspunkten zu optimieren. Ein solcher Ansatz für die betriebliche Optimierung des Talsperrenbetriebs dürfte weltweit innovativ sein. Zentrale Bedeutung für einen erfolgreichen Praxistransfer hat die begleitende Durchführung von Abstimmungsgesprächen zwischen dem WV und den entsprechenden Forschungseinrichtungen während der Projektphase. Diese Gespräche stellen sicher, dass die Detailausrichtung der Projekte auch während der Projektphase laufend nachjustiert werden kann.
Eine Masterarbeit, die vom Leibniz Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) fachlich betreut wurde, untersuchte erstmals systematisch die im Einzugsgebiet der Wupper für die Bevölkerung bereitgestellten Ökosystemleistungen (ÖSL). Die Analyse zeigte interessante Synergien zwischen Trinkwassernutzung sowie Naturschutzbelangen. Haben Sie diese oder andere Schlussfolgerungen überrascht?
Es war uns ein besonderes Anliegen die Masterarbeit von Frau Kaiser durch die Bereitstellung eines umfangreichen Datenmaterials mit Hilfe unserer GIS Arbeitsgruppe, Gesprächen und einer Vor-Ort-Führung zu unterstützen. Insbesondere die Methodik der funktionsbasierten ÖSL-Bewertungen hat unser großes Interesse gefunden, erweitert sie doch den traditionellen strukturbasierten Ansatz der Zustandsbewertung. Mit ihrer Masterarbeit ist es Frau Kaiser unstrittig gelungen, einen ersten Aufschlag in Richtung einer funktionsbasierten Bewertung von Gewässerdienstleistungen erfahrbar und nachvollziehbar zu machen. Nichtsdestotrotz besteht an diesem Prunkt noch erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Insbesondere der hohe Naherholungs- und Freizeitwert der Wupperschiene macht deutlich, wie wichtig die Wupper als Landschaftselement für die Attraktivität und damit auch Sicherung des Standorts Bergisches Land ist.
Da sich eine hohe Gewässergüte, welche Grundlage einer naturnahen Trinkwassergewinnung ist und wassergebundene Freizeitnutzungen ausschließen, zeigen sich Synergien zwischen Trinkwassergewinnung und Naturschutz im Gebiet der Großen Dhünn-T. Nicht zuletzt durch die Ausweisung von Trinkwasserschutzgebieten entstehen Ruhezonen, welche dem Naturschutz entgegenkommen. Interessant dabei ist, zu sehen, wie sich die Einzugsgebiete und Talsperren von Wupper- und Dhünn funktionsbasiert aus Sicht einer überregionalen Raumplanung in ihren Gewässerdienstleistungen, welche sie der ortsansässigen Bevölkerung bereitstellen, ergänzen. Diese Erkenntnisse zeigen, dass die ausschließlich zustandsbezogene Betrachtung zur Umsetzung der WRRL zu kurz greift. Daher wäre es wünschenswert, künftig den Erfolg von Maßnahmen nicht nur zustands- sondern auch funktionsbasiert zu bewerten.
Das Wuppereinzugsgebiet ist dicht besiedelt und stark anthropogen beeinträchtigt. Dennoch erbringt das Gewässernetz eine ganze Reihe wichtiger Ökosystemleistungen, nicht zuletzt durch die zahlreichen Talsperren. Welche Rolle spielt der Ansatz der Ökosystemleistungen (ÖSL) für den Wupperverband derzeit?
Talsperren sind ein zentrales Instrument der Wassermengenbewirtschaftung im Einzugsgebiet der Wupper. So sichern die Brauchwasser-Talsperren in Trockenperioden den Mindestabfluß der Wupper, welche unterhalb der Stadt Wuppertal unter anderem erhebliche Mengen weitergehend gereinigter Abwässer aufnehmen muß. Damit flankieren die Brauchwasser-Talsperren wassergütewirtschaftliche Maßnahmen und stabilisieren die Gewässergüte der Unteren Wupper und damit die ÖSL dieser. Zudem schützen Sie insbesondere die Stadt Wuppertal vor Hochwasserereignissen. In den Sommermonaten kommt den Talsperren ein hoher Naherholungswert zu (Angeln, Baden, Tauchen, Segeln; Wandern, Radfahren). Diese ÖSL sind im Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit verankert.
Darüber hinaus erfolgt in den Talsperren ein erheblicher Phosphor- und Stickstoffrückhalt durch Phosphor-Sedimentation und Denitrifikation. Diese ÖSL bleiben vielfach unbemerkt, sind aber von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung mit Blick auf die Frage nach dem Umfang der Phosphorreduktion im Einzugsgebiet der Talsperren und Unterläufe. Unbestritten haben Talsperren auch negative Auswirkungen auf die Fließgewässerökologie (Durchgängigkeit, Wärmehaushalt), die es zu betrachten gilt. Hier wäre es sicherlich wünschenswert, funktionsbasiert die negativen und positiven Wirkungen für die Gewässerdienstleistungen zu identifizieren und zu bewerten, um diese in einer Gesamtbilanz abzubilden. Allerdings fehlen heute noch die Grundlagen und Instrumente, eine solche funktionsbasierte Gesamtbilanz der Gewässerdienstleistungen zu erstellen. Hier besteht dringender Forschungsbedarf, um das Thema Ökosystemleistungen in der Öffentlichkeit zu verankern und der wasserwirtschaftlichen Planung ergänzende objektive Bewertungsalgorithmen und Entscheidungskriterien an die Hand zu geben. Erste Schritte auf dem Weg zur Entwicklung einer entsprechenden Methodik lassen sich der Arbeit von Frau Kaiser entnehmen.
Welche Anwendungsmöglichkeiten sehen Sie für einen River Ecosystem Service Index, der im ReWaM-Projekt RESI erarbeitet wird? Welche Vorteile bzw. Schwächen bestehen gegenüber der strukturbasierten Analyse des ökologischen Zustands von Gewässern, wie ihn die EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) fordert?
Leider ist der strukturbasierte Ansatz der Zustandsbewertung der Gewässergüte, wie ihn die EU-WRRL fordert, so umfangreich und komplex, dass es heute schwer fällt, einer breiteren Öffentlichkeit und selbst politischen Entscheidungsträgern noch ein kohärentes Bild des gewässerökologischen Zustands und der Defizite resp. deren Ursache zu vermitteln. Damit verbunden sinkt leider auch vielfach die Akzeptanz für wassergütewirtschaftliche Fragestellungen und Maßnahmen. Des Weiteren ist es ein großes Defizit der strukturbasierten Zustandsbewertung, den hohen sozio-ökonomischen Wert unserer Gewässer und der von ihnen erbrachten Dienstleistungen nicht darzustellen. Zukünftig sollten wir daran arbeiten, die strukturbasierte Zustandsbewertung wieder auf ein vermittelbares Ergebnis zurückzuführen und durch eine funktionsbasierte Bewertung der Gewässerdienstleistungen zu erweitern. Vorstellbar wäre, die Ergebnisse der biotischen Qualitätskomponenten für Dritte, zur einer gesamtökologischen Zustandsbewertung der Biozönose zusammenzufassen und durch einen funktionsbasierten RESI-Index um den Aspekt der Gewässerdienstleistungen zu ergänzen. Damit stünde der Wasserwirtschaft ein Instrumentarium für einen ganzheitlichen Ansatz an Bewertungs-, Planungs- und Entscheidungskriterien zur Verfügung.
Die Wupper und ihre Bewirtschaftung haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt: Wo früher Abwasser floss, wollen die Bürgerinnen und Bürger heute auch Kanu fahren und Natur erleben. Wie geht Ihr Verband mit konkurrierenden Nutzungsansprüchen um? Welche Instrumente und Formate haben sich bewährt, gemeinsame Lösungen zu finden?
Konkurrierende Nutzungsansprüche sind unser tägliches Geschäft! Da fast alle Arbeiten auf fremder Leute Grundstück erfolgen müssen, sind intensive Abstimmungen erforderlich. Diese betreffen zunächst die Behörden (UNB/ULB, UWB, UDB, UBB, UFB, ggf. OFB, BR) und Fördermittelgeber (BR, Ministerium) sowie Vertreter der Kommune. Weiterhin erfolgen Abstimmungen mit den Grundstückseigentümern und den Pächtern (Fischereipächter, Landwirte), ggf. auch mit der Feuerwehr (Löschteiche) und dem Forstbetrieb oder direkt mit Vertretern des Landschaftsbeirates. Weiterhin erfolgen immer Abstimmungen mit den zuständigen Biostationen und ggf. mit vorhandenen Naturschutzvereinen, Denkmalschutzvereinen und Kanuverleihbetrieben. Auch Bürgervereine werden berücksichtigt, wenn sie Arbeiten am Gewässer planen. Als Formate haben sich bewährt: a) das direkte Gespräch vor Ort/Ortstermine im Vorfeld b) Runde Tische im Vorfeld (Skizze) und in der Planungsphase c) regelmäßige wöchentliche Baustellentermine in der Bauphase d) Öffentlichkeitsarbeit (Presse) nach Abschluss oder bei Abschluss.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte ReWaMnet.
RESI ist eines von 15 Verbundprojekten in der BMBF-Fördermaßnahme „Regionales Wasserressourcen-Management für den nachhaltigen Gewässerschutz in Deutschland“ (ReWaM). ReWaM ist Teil des BMBF-Förderschwerpunktes „Nachhaltiges Wassermanagement“ (NaWaM) im Rahmenprogramm „Forschung für Nachhaltige Entwicklung“ (FONA3).